Drucken

 

Horizont ist Engagement und Erlebnisgarantie (20.9.2010)

Horizont ist Engagement mit Erlebnisgarantie

 

Integrationsprojekt am Karl-Maybach Gymnasium in Friedrichshafen

 

Der Startschuss für die zweite Staffel des Projekts „Horizont“ der FIDS-Stiftung für behinderte Menschen ist am 20.9.2010 auf der Interboot gefallen. Zehn Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassenstufe des Karl-Maybach-Gymnasiums in Friedrichshafen (KMG) dürfen das Bodensee-Schifferpatent machen, erhalten pädagogischen und behindertenspezifischen Lernstoff und kümmern sich im Gegenzug um behinderte Menschen – zu Wasser und auf dem Land.

 

 

Bild 1 web

 

Integratives Segeln

 

Segeln für Menschen mit Behinderung ist mehr als nur Freizeitvergnügen, es ist Balsam für die Seele und das Selbstbewußtsein, macht überdies Spaß und fördert die Verantwortung. Dass die luftige Fortbewegung auf dem Wasser für behinderte Menschen noch eine viel tiefere Dimension haben kann, hat Familie Schmid aus Esslingen vor zehn Jahren mit ihrem behinderten Sohn erlebt. Auf der Interboot habe dieser sich auf dem Messe-See in ein kleines Segelboot gesetzt und sei anschließend wie verwandelt gewesen. So glücklich habe sie ihn vorher kaum erlebt, sagte Fabian Schmid der Bruder, der im Vorstand der Stiftung ebenfalls aktiv ist. Segeln habe Volker so motiviert, dass er regelrecht aufblühte.

Der Wunsch, anderen behinderten Menschen Segelerlebnisse und ähnliche Erfahrungen zu ermöglichen, haben die Familie nicht mehr losgelassen. Nach dem Vorbild des „Mini12 – integrativer Segelverein Wien“ gründete Brigitte und Wolfgang Schmid 2006 die Stiftung FIDS (Fondation für Integrated Disabled Sailing). Die rührigen Esslinger trommelten landauf-landab für ihre Idee, holten das Körperbehinderten-Zentrum Oberschwaben (KBZO) ins Boot, bekamen bei Meichle & Mohr einen Heimathafen, gewannen Sponsoren und einige Yacht- und Segelclubs als Partner.

 

„Horizont“ erweitern

 

Junge Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen, das entspricht dem Leitgedanken der Stiftung, alle Projekte von Anfang an integrativ zu gestalten. Mit dem Albertus-Magnus-Gymnasium und dem Solitude-Gymnasium Stuttgart lief das erste „Horizont“-Projekt nach Aussagen der anwesenden Schüler prima. „Es wird ziemlich viel auf Euch zukommen, ihr braucht einen langen Atem“, sagte Valerie, „aber es macht viel Spaß und ihr werdet tolle Erfahrungen machen“. So wie Sarah mit einem 30-jährigen Mann, der vor 15 Jahren beim Segeln den Baum an den Kopf bekam und seither schwer behindert ist. Trotz seiner Traumatisierung habe er sich zum ersten Mal wieder in ein Segelboot getraut und sei nach dem Törn mit einem Mini 12er unbeschreiblich erleichtert und glücklich gewesen.

 

Bild 2a web

 

Therapeutische Effekte

 

Mit Segeln hat man im KBZO durchweg positive Erfahrungen gemacht, sagt Jürgen Sichtermann. Für behinderte Menschen ist die Erfahrung, ein Boot alleine zu manövrieren ein Freiheits- und Erfolgserlebnis, was ihr Selbstwertgefühl enorm steigert. Anstatt eines formalen Lernprozesses stellen sich durch die ganzheitliche Erfahrung schon in wenigen Tagen rasche Erfolge ein. Für Sichtermann lassen sich die Erfolge unmittelbar erkennen durch eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung, eine Erhöhung der Selbstkontrolle und der Ausdauer. Behinderten Menschen das Segeln zu ermöglichen, sei allerdings mit einem relativ großen Aufwand verbunden, sagt der Therapeut.

 

Aus der Not wird eine Tugend

 

Der Stiftung FIDS stehen sechs Mini-12er zur Verfügung: drei Meter lange Boote, zweiwandig mit Ballastkiel, so dass sie praktisch nicht kentern können und unsinkbar sind. Diese vom Hänger zu heben, ins Wasser zu lassen, klar zu machen, die Behinderte ins Boot zu holen und sie dann in einem Beiboot auf den See zu begleiten, sei personalintensiv. Aus der Personalnot machte die Stiftung eine Tugend und rief „Horizont“ ins Leben – ein Projekt, das Schüler in das Segeln mit Behinderten einbindet. In Friedrichshafen fand FIDS zwei kompetente Partner: T-City und das KMG. Wie T-City-Projektmanagerin Ursula Schlögl sagte, passe ein solches Projekt, das soziales Engagement und Verantwortung fördere, hervorragend zu den Zielen der Telekom.

 

KMG-Schulleiter Uwe Beck verspricht sich über den „Erkenntnisgewinn hinaus, dass der Grat zwischen dem Leben ohne und mit Behinderung recht schmal ist“, eine Initialzündung bei den Schülern dahingehend, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen und sie gleichzeitig erleben, welch großartige Leistungen behinderte Menschen erbringen können.

 

Fit gemacht für das Bodensee-Schifferpatent werden die zehn KMG’ler von der RePa Yachtschule in Immenstaad. Inhaber Thomas Herr stellt die Segellehrer und freut sich auf die jungen Leute. Bis Pfingsten 2011 haben die 16-Jährigen dann den Segel- und Motorbootschein in der Tasche. Gleichzeitig erhalten sie über FIDS eine Ausbildung im Ehrenamt sowie im Umgang mit behinderten Menschen. Eine tolle Sache, die ihnen zwar viel Zeit und Engagement abverlangen wird, die aber sicher Spaß macht und für ihre Zukunft Bedeutung haben wird.